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Allgemeine Aspekte zum Tiereinsatz in der Pädagogik

Seit geraumer Zeit wird der professionelle Einsatz von unterschiedlichen Tierarten in den Bereichen Medizin, Pädagogik und Psychologie bekannter, anerkannter und auch greifbarer. Tiere als Medium in diesen Bereichen zu nutzen, wurde neben sichtbaren Erfolgen auch von der heutigen Gesellschaft stark beeinflusst. Unter dem Maxim: „Back to Nature“ können gerade Kindern und Jugendlichen in einer konsum- und leistungsorientierten Generation mit neuen Medien andere Werte und Normen aufgezeigt werden. Mit der Art und dem Wesen eines Tieres können alle Facetten des Menschseins erreicht und unterstützt werden, das Arbeiten ist immer ganzheitlich und spricht Körper, Geist und Seele gleichermaßen an.

 

Zur Besonderheit des Pferdes

Pferde haben sich in ihrer Entwicklung innerhalb 60 Millionen Jahren zum Grasfresser und Einhufer im Erscheinungsbild und Eigenschaften verändert. Ihre  Domestikation bedeutete eine Erweiterung ihrer Beziehungsfähigkeit zu uns Menschen, aber ließ sie nicht ihr biologisches Erbe verlieren, was ihr Verhalten bestimmt. Pferde besitzen viele Ausdrucks- und Verhaltensweisen, menschenähnliche oder humane Bedürfnisse wie Sozialkontakte, Individualität und Unabhängigkeit durch Abgrenzung. Sie bieten dem Menschen Ansatzpunkte für Kommunikations- und Identifikationsprozesse.

Als Pflanzenfresser, Steppentier und Beute für Raubtiere ist ihr Fluchtinstinkt ausgeprägt, seine Sinnesorgane leistungsstark und sein Wahrnehmungssystem feinfühlig und sensibel. Im Einsatz mit Menschen reagieren sie auf Bewegungsverhalten und Anzeichen von Angst und Unsicherheit. Sie besitzen ein natürliches Gespür für äußeres Auftreten und innere unbewusste Prozesse.

Das Besondere im Vergleich zu anderen Tieren an Pferden ist, das mit ihm Körper- und Beziehungsarbeit geleistet werden kann. Es werden psychische und physiologische Bereiche sowie das soziale Verhalten angesprochen und der Intellekt von Menschen gefördert. Dank einer 4000 Jahre langen Züchtung von Pferden können wir Menschen auf einem Pferd getragen werden. Das Besondere daran ist, dass sein Gang im Schritt menschenähnlich ist und nicht im Vergleich zu Kamelen oder Eseln, passartig. Aus dem im Schritt gehenden Pferd gehen bis 120 dreidimensionale rhythmische Schwingungsimpulse pro Minute aus, welche therapeutisch gesundmachend eingesetzt werden können. Der Rücken schwingt mit der Vorwärtsbewegung des Pferdes in der Sattellage bei jedem Schritt in der vertikalen und horizontalen Ebene sowie in Rotation um die Senkrechte. Schwingungsimpulse aus den verschiedenen Gangarten wirken beim Bewegungsdialog mit dem Pferd auf die Rumpfhaltung, den Muskeltonus, einen rhythmischen Bewegungsablauf, eine bessere Körperwahrnehmung- und koordination sowie auf die Raum-Lage-Orientierung und Selbstwerterfahrung eines Menschen.  Der Bewegungsdialog stößt die Beziehung zum Pferd an und wird intensiviert. Dies geschieht durch die Berührtheit der ganzheitlichen psychomotorischen Selbsterfahrung von Wärme, Rhythmus, Getragen- und Bewegtsein, Vibration, Tempo und Körperkontakt.

In der Arbeit mit Pferden wird ihr hoher Aufforderungscharakter in Bezug auf Größe, Schönheit und Stärke genutzt sowie ihre hoch motivierende Impulsgebung durch taktile, akustische, visuelle, olfaktorische, kinästheitscher und vestibulärere Möglichkeiten. Durch die notwendige Versorgung und Pflege des Pferdes werden soziale komplexe Fähigkeiten und die Kontaktaufnahme gefördert. Durch Körperkontakt wird Beziehungsarbeit gefördert und Berührungsängste abgebaut.

 

Zum Einsatz von Pferden in der Pädagogik

Zu den bekanntesten Tierarten im Einsatz zählen Hunde, Delfine und Pferde. Über das Pferd können über einen Bewegungs- und Beziehungsdialog hilfreiche Impulse vor allem für Menschen mit sonderpädagogischen Förderbedarf (Verhaltensauffälligkeit, geistiger oder körperlicher Behinderung, Entwicklungsförderung) erreicht werden.

Diese heilsame Wirkung des Pferdes auf die seelische, geistige und körperliche Gesundheit wurde bereits in der Antike von Hippokrates und Xenophon erkannt. Heilungs- und Förderpotential liegen weiter zurück als der medizinische Ansatz.  In den 50er Jahren begann die Forschung in nördlichen Ländern zur medizinischen Intervention durch den Pferdeeinsatz und in den 60er Jahren unter Antonius Kröger ein eigenständiger Ansatz in der Heilpädagogik.

Pferde werden in der Pädagogik eingesetzt, um mit einem lebendigen Medium soziale Verhaltensformen, Vertrauens- und Erfahrungsbereiche sowie motorische und sensorische Fähigkeiten und Leistungen zu fördern.

Durch die Möglichkeit beim Voltigieren, sportliche Einzel- und Gruppenübungen auf dem Pferd durchzuführen bauen Menschen Vertrauen und Beziehung zum Tier auf. In Gruppeninteraktionen geht es um partnerschaftliche Momente, gruppendynamische Aktionen, um den Aufbau von Vertrauen und Kooperation zwischen Anderen.

Beim Sitzen auf dem Pferd mit Sattel oder Sitzkissen erfährt der Mensch eine motorische Wechselwirkung. Kleinste Verspannungen werden erkannt und gelöst. Beim Bewegtwerden oder Getragenwerden werden die Bewegungen des Pferdes intensiv gespürt und der beim Mensch Emotionen ausgelöst.  Beim Führen bzw. Lenken des Pferdes werden ein differenzierter Umgang mit dem Pferd sowie ein selbstbestimmtes Handeln geübt. Selbstständiges Führen und Lenken fördern soziale Kompetenzen im Sinne einer Identitätsbildung und Ich-Stärkung.

 

Im pädagogischen Einsatz geht es immer eine individuelle Beeinflussung des Menschen in der das Pferd im Vordergrund steht und nicht die reiterliche Leistung. Günstig beeinflusst werden die Motorik, die Wahrnehmung, das Lernen, das Befinden und das Verhalten.

 

Basis-Einsatzmöglichkeiten mit dem Pferd

Ziel ist es eine ganzheitliche Beeinflussung entsprechend der individuellen Möglichkeiten der Klienten zu erreichen. Hierbei ist die Beziehungsarbeit zwischen Reitpädagoge, Klient und Pferd notwendig. In diesem Beziehungsdreieck werden Bindungen aufgebaut, Bedürfnisse von Mensch und Pferd erfahren und die motorische und seelische Förderung vermittelt. 

 

Trianguläre soziale Lernbeziehung

Jede Pädagogk mit dem Medium Pferd ist eine standardisierte, gegebene, trianguläre, soziale Lernsituation sowie Lernbeziehung zwischen den Akteuren Klient, Pädagoge und Pferd vorausgesetzt.

Zwischen Klienten und Pferd geht es um Beziehung und Bewegung. Der Pädagoge schafft die Rahmenbedingungen, dass sich Klient und Pferd reflektiert und geschützt begegnen. Ziel ist es zwischen Klient und Pferd durch das Aufbauen, Gestalten und Festlegen einer Beziehung einen Bewegungsdialog zu erreichen. 

Zwischen Klienten und Pädagogen geht es um ein soziales Kompetenztraining, welches auf einem partnerschaftlichen und sachorienten Miteinander basiert. Das besondere Medium Pferd wird zwischen Klienten und Pädagogen individuell eingesetzt. Die Bedürfnisse des Pferdes, sein artspezifisches Biofeedback (Instinktverhalten, Ungleichgewicht beim Reiten ausbalancieren, reagieren auf ungepasstes Verhalten) sowie bestimmte Verhaltensregeln im Umgang mit dem Pferd werden pädagogisch genutzt. Der sich dadurch ergebene ritualisierte Ablauf gibt dem Klienten Halt und Orientierung. 

Zwischen Pferd und Pädagoge geht es um einen modellhaften Dialog für den Klienten, der darauf basiert, dass das Förderpferd für seinen Einsatz geeignet ist und auf eine kompetente Führung.

 

Motorische Einsatzmöglichkeiten und Wirkweisen des Pferdes

Das Medium Pferd hat in seiner Vielfalt ein facettenreiches Einsatzgebiet. Eine Förderung mit dem Medium Pferd richtet sich nach dem individuellen Förderbedarf des Klienten. Die Einsatzmöglichkeiten überschneiden, aber Schwerpunkte können gesetzt werden.

Ein neuromotorischer Ansatz stellt die besondere Fähigkeit des Pferdes, den Menschen tragen zu können in den Vordergrund. Es geht um ein Bewegtwerden und Getragenwerden.  

Pferde lösen in ihren verschiedenen Gangarten nicht nur unterschiedliche Impulse aus (Schritt: Entspannend, Lösend. Trab: Anregend. Galopp: Beschwingend), sondern geben den Klienten eine gleichmäßigen Rhythmus und Wärme. Zudem fordern sie den Klienten auf im Gleichgewicht zu sitzen. Durch die Affinität im Körperbau des Pferdes und Menschen ist der Pferdegang menschenähnlich und daher bequem. Er überträgt 120 Schwingungsimpulse/Minute aus und wirkt auf Rumpf, Becken in einer Rotation.

Ein sensomotorischer Ansatz stellt den Körper des Pferdes in den Vordergrund. Bei diesem Schwerpunkt geht es um eine Sinnesschulung des Klienten. Das Pferd bietet durch seinen Motivations- und Aufforderungscharakter durch Aussehen, Ausstattung, Größe unterschiedliche Sinneserfahrungen: Fühlen, Spüren, Riechen, Sehen, Hören, Bewegung.

Der Wesen des Pferdes in den Vordergrund zu stellen ist ein psychomotorischer und soziomotorischer Ansatz. Es geht beim Klienten um Persönlichkeitsentfaltung, Aufbau, Gestaltung und Festlegung von Beziehung und Kommunikation. Die Klienten werden gestärkt durch verschiedene Erfolgserlebnisse im Umgang mit dem Pferd.

 

Zielgruppe

Kinder, die Spaß im Umgang mit Pferden und der Natur haben, die Konzentration aufbauen wollen, die Kontaktschwierigkeiten oder im Beziehungsaufbau mit anderen Menschen Schwierigkeiten haben, die soziales Lernen und soziale Kompetenz fördern möchten, die ihre Gesamtkoordination und Motorik verbessern möchten, die Selbstwirksamkeit und Selbstwertgefühl erfahren möchten, die lernen möchten sich angemessener selbst einzuschätzen.

 

Individuelle und soziale Ziele

Als individuelle und soziale Ziele lassen sich folgende festhalten:
- Verbesserung des Körpergefühls und der Motorik
- Verbesserung der vorhandenen Konzentrationsfähigkeit
- Erarbeitung von Frustrationstoleranz
- Grenzen kennen lernen
- Steigerung des Selbstwertgefühls
- Abbau von Aggressionen
- Förderung von Konfliktfähigkeit

Soziales Lernen in der Gruppe:
- Umgang mit Antipathien
- Aufbau von kooperativen, verantwortungsvollen und sozialen Verhalten
- Rücksichtnahme
- Kommunikation und Konfliktlösung.

 

Föder- bzw. Therapiepferde oder auch Reitpädagogikpferde

Förder- oder auch Therapiepferde sind die Hauptakteure in der Heilpädagogischen Förderung. Sie müssen außer einer soliden Grundausbildung in Dressur, Freizeit (Gelände) Longe und Bodenarbeit eine gewisse Ausgeglichenheit (Verlasspferd) besitzen. Neben dieser soliden Grundausbildung werden sie an Materialien gewöhnt, welche zum Einsatz kommen (Tücher, Stangen, Bälle, Hütchen, Ringe, usw.). Wichtig für ihre Gesunderhaltung sind eine artgerechte Haltung mit täglichem Koppelgang, Ausgleichs- und Korrekturarbeit. 

 

Phasenmodell einer Förderstunde

Einstieg: Ankommen im Stall, Begrüßung unter den Akteuren, Absprache darüber, was Inhalt der Förderstunde sein soll, benötigtes Material besorgen, Pferd vorbereiten auf die Förderstunde.

Aufwärmen: Pferd löst sich und Klient wärmt sich auf in Bewegungsspielen an der Longe oder im Führen oder im Aufbau eines Spielparcours. Im Beziehungsaufbau wird Vertrauen aufgebaut.

Arbeitsphase: Besprochener Inhalt der Förderstunde beginnt. Klient und Pferd gestalten unter Anleitung eine Beziehung miteinander. Klient führt, reitet, turnt, spielt Spiele oder durchläuft einen Geschicklichkeitsparcours. Eine An- und Entspannung wird inszeniert.

Abschluss: Klient kann einen Wunsch zum Ende der Stunde äußern. Nach dem Absitzen, dem wegräumen der Materialien wird das Pferd versorgt und verabschiedet. Die Stunde wird gemeinsam reflektiert. Ziele und Wünsche werden geäußert und aufgenommen.  

 

 

 



 
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